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Eine winterliche Reise zu den Menschenflüssen von Kladusa, Bihac und Kljuc.

Im Minenfeld des Humanismus.

SOS Balkanroute. Frontaleinstieg. Vucjak ist einzigartig und wird von den Minenfeldern der Jugoslawienkriege bewacht. Wer hätte sich gedacht, das diese Minen zu den Sponsoren des europäischen Einigunsprozesses werden, während sie ununterbrochen in Konkurenz oder in Allianz zu kroatischer Armee und Polizei stehen, die alles kontrollieren was im Grenzgebiet auftaucht. Zur Not auf auch bosnischem Staatsgebiet. Flüchtenden die in Kroatien aufgegriffen werden, schneiden sie die Rucksäcke auf, nehmen ihnen die warme Kleidung ab, brechen ihnen die Knochen, nehmen Telefone und Geld ab, und verbrennen die Schlafsäcke – bevor sie sie nach Bosnien zurückschicken. Die EU sagt danke und attestiert Schengentauglichkeit.

“the Game” nennen das die Refugees. Die Umwegrentabiliät des Spiels bedeutet dann das Flüchtlinge in Flüchtlingslagern landen, die in den neunziger Jahren als Kriegslager für die verschiedenen bosnischen Volksgruppen bereits zu Berühmtheit gelangt sind. Tausende schlafen entlang der Balkanroute auf der Straße. In den Lagern herrscht das Recht des Stärkeren. In Kladusa, dürfen wir nicht auffallen. Eine leere Wohnung dient als Zwischenlager für unsere Hilfsgüter aus Wien. Unser lokaler Kontakt erzählt uns von den Zuständen in dem tempoären Lager, welches von der Firma Miral zur Unterbringung von Flüchtenden gestellt wurde. Seit Anfang 2018 kamen täglich Familien, was von Familien übrig blieb, Kinder, Männer aus aller Welt in vielen Städten Bosniens an. In Kladusa ist die Nacht schon eingebrochen und die Straßen sind leer. Es ist auch schon kalt, die Lichter in den Stiegenhäusern funktionieren nicht, und vor den Wohnbauten türmen sich riesige Haufen Brennholz. Anfang 2018 waren die Moscheen noch ein Ort die Menschen unterzubringen. Mittlerweile ist der Druck der Behörden und des Ressentiment der sozialen Medien so groß, das wie uns unsere Gesprächspartner erzählen, das Verwandte nicht mehr mit ihnen reden, weil sie den IS’lern helfen.

Wer Flüchtenden hilft, wird Repression ernten. Die lokalen Helferinnen vor Ort hält das nicht auf. In einem der ärmsten Ländern Europas, wo die vielen Verlierer des “Games” notdürftig verarztet und teils blutig am öffentlichen Leben teilnehmen, und ihre Erscheinung wie ein Bild aus dem Jugoslawienkrieg wirkt, gäbe es ohne die Courage der lokalen Bevölkerung ein noch größeres Drama. Ohne Solidarität aus Österreich wird es das auch noch geben. Die Kräfte der lokalen Helferinnen werden schwinden. Schon jetzt greifen Fake News, Medien und soziale Medien Falschmeldungen auf und erklären den Unterschied zwischen europäischen Moslems und den anderen. Als wir von den Gesprächen aufbrechen und zu unseren Fahrzeugen zurückkehren haben wir vier Strafzettel. Wenn wir innerhalb von sieben Tagen zahlen, gibt es fünfzig Prozent Rabatt. Die Casheconomy der Transition.

Bihac erreichen wir am Tag. Vucjak liegt auf etwa 1000 Metern Seehöhe. In der Nacht Temparaturen nahe dem Nullpunkt. Viele der Flüchtlenden sehen wir in Flip-Flops und Sommersandalen. Leider hat sich der Hipster Modetrend Socken zu Sandalen zu tragen noch nicht durchgesetzt. Tagsüber erreicht die Temperatur ungewöhnliche 24 Grad. Im Zentrum von Bihac sind die Schanigärten gut gefüllt und es herrscht reges Treiben. Alles sind da. Kriegsversehrte der Jugoslawienkriege, Roma, Pakistanis, Afghanen, Nordafrikaner, Syrer, Kurden, Touristen und am Ende der Fußgängerzone steht ein Stativ mit Kamera, das darauf wartet, das die Polizei die Refugees unter den Menschen einfängt und nach Vucjak bringt. Ein Ritual das sich täglich wiederholt. Eine Aktivistin erzählt uns von britischen Hilfslieferungen die Bohnen aus Großbritanien mitgebracht haben. Die Brexit geplagten britischen Bohnenbauern sind mindestens genau so glücklich darüber, wie die Inhaber der Transportfirmen. Die Bohnen können vom Roten Kreuz nur in Zusammenarbeit mit Sicherheitsorganen verteilt werden. Die Zufahrt zum Lager ist gesperrt und wird streng bewacht. Alles 2 Kilometer von der EU – Außengrenze.

Vor über einem Jahr haben auch Bosnische Arbeiter versucht die EU – Außengrenze kollektiv zu überschreiten. Es gäbe kein Leben mehr in ihren Städten. Trotz der Aussichtslosigkeit einen Asylantrag zu stellen, sehen wir auch Menschen in Gruppen, Tag und Nacht auf unbeleuchteten Straßen zu Fuß Richtung Grenzübergang ziehen. Ob sie dort ankommen wissen wir nicht. Vucjak ist nur ein Brennpunkt. Bosnien haben 49,5 % der in Bosnien geborenen Menschen in der Zwischenzeit verlassen. Wir haben uns die Situation auch in der Kleinstadt Kljuc angesehen. Von ehemals elf Tausend Einwohner*innen sind dreitausend übriggeblieben. Täglich kommen Busse an, die vor dem Stadtrand einen mittlerweile planmäßigen Stop einlegen. Alle Flüchtenden müssen die Busse verlassen. 2018 waren es sechttausend Personen, die neben der Bundesstraße an der Bezirksgrenze am Boden und in provisierten Notzelten bis zu fünf Tage ausharren mußten. Heuer waren es bisher viertausend Personen – die von lokalen Freiwilligen des Roten Kreuzes notversorgt werden. Die zwei angemieteten Dixiklos werden dem Roten Kreuz mit 180 Euro monatlich in Rechnung gestellt.

Die Preise für Schlafsäcke haben sich seit Anfang 2018 vervielfacht. Im Jahr 2015 – als tausende Menschen in Österreich Flüchtende in einem Akt gesellschaftlicher Solidarität in geholfen haben, wollte die Regierung den annerkannten Hilforganisationen Spendengelder kürzen. Tausende Stunden freiwilliger Arbeit – mit Subventionskürzungen gegen verrechnen. Politik rechnet auch jetzt mit und wältzt ihre Verantwortung auf die Zivilgesellschaft ab. Ihre Schuld beleibt.

Termine zum Spendensammeln findet Ihr in diesem PDF:

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