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Das Gefängnis ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft

Aus der Reihe “Stimmen von drinnen”

Seit einigen Monaten twittert @Inside JA Josefstadt über die Bedingungen im Gefängnis. Vor kurzem wurde er von einer Tageszeitung aus Anlass der Femizide in Österreich befragt. Das Interview wurde nicht gedruckt; freundlicherweise hat uns der Verfasser gestattet, es hier zu veröffentlichen.

Das Gefängnis ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft

In welchem Rahmen und wieviel Kontakt hatten Sie zu Männern, die aufgrund von Gewalt gegen Frauen ene Haftstrafe verbüßen mussten?

Ich hatte immer wieder mit dieser Tätergruppe Kontakt. Zum Teil waren wir in der gleichen Zelle untergebracht oder am gleichen Stockwerk.

Wie haben Sie diese Menschen erlebt und wie gingen sie Ihrer Wahrnehmung nach mit dem Wissen um, schwere Traumata bzw. ein Menschenleben auf dem Gewissen zu haben?

Ganz unterschiedlich. Einen hab ich kennengelernt, der bereut zutiefst, was er angerichtet hat. Dies ist aber eher die Ausnahme. Einige flüchten sich in das Hirngespinst, dass die Partnerin sie so weit gebracht hat. Das sind jene, die wegen Mord oder Totschlag einsitzen.

Aber es gibt erstaunlich viele, die wegen Stalking, gefährlicher Drohung etc. einsitzen. Diese sind oft in einem Wahn. Es macht sie fertig, plötzlich gar keine Kontrolle mehr zu haben.

Viele werden dann auch zur “Maßnahme” verurteilt. Was ja grundsätzlich nichts Falsches ist. Nur ist der Maßnahmenvollzug in Österreich ein einziger Skandal, der jeglicher Beschreibung spottet. Dies bestätigen selbst Justizbeamte, Psychologen und Sozialarbeiter. Es gibt Personen, die wegen gefährlicher Drohung zu wenigen Monaten Haft verurteilt wurden, plus Maßnahme. Das bedeutet, der hatte nie eine Waffe in der Hand, sitzt aber 5 Jahre, weil er zur Maßnahme verurteilt wurde. Mir haben zum Teil hochrangige Justizbeamte über Twitter offen geschrieben, dass sie seit Jahren darauf hinweisen. Ohne jegliche Veränderung, komplett egal, wie das Justizministerium gerade “eingefärbt” ist.

Als Beispiel sei genannt, dass man im Maßnahmenvollzug eine Therapie absolvieren muss und man wird erst entlassen, wenn man als nicht mehr gefährlich gilt. Es kommt aber halt vor, dass Personen jahrelang keine Therapie bekommen, obwohl sie dazu verurteilt wurden. Der Staat versagt hier, auch wenn es öffentlich dementiert wird. Personen, die tagtäglich damit zu tun haben, bestätigen dies.

Haben Sie mit diesen Menschen über ihre Taten gesprochen?

Zu Beginn sind sie sehr verschlossen, mit der Zeit erfährt man dann einiges. Was mir auffiel, war, dass keine einzige Tat geplant war. Was es natürlich keinen Deut besser macht. Aber es zeigt, dass jeder zum Mörder werden kann. Das sind keine Bestien.

Viele sind aufgrund der privaten Situation verzweifelt, Jobverlust, Schulden, Hausbau. Dies führen sie als Entschuldigung an, was natürlich keine ist. Sie wollen so nicht mehr weiterleben und treffen unbewusst die dümmst mögliche Entscheidung. Die Angst, im persönlichen Umfeld als Versager dazustehen, ist für viele so groß. Viele können die Scham nicht überwinden, sich Hilfe zu suchen.

Für viele scheint die Haft eine Art “Erlösung” zu sein.

Wie werden diese Menschen von den anderen Inhaftierten behandelt?

Ganz normal, es werden nur Pädophile anders behandelt.

Viel diskutiert wrd das vermeintlich unterschiedlichen Frauenbild von “Österreichern” und “Ausländern”. Wie ist das Ihre Wahrnehmung?

Ich hatte ausnahmslos nur mit österreichischen Mördern/Gewalttätern zu tun.

Aber es ist unbestritten, dass viele (nicht alle!) Muslime einen anderen Zugang zu dem Thema haben. Es gibt Neuankömmlinge, die glauben, dass sie sich von einer Beamtin gar nichts sagen lassen brauchen. Den meisten wird es aber schnell klar, dass sie damit nicht weit kommen.

Als Lösungen für dieses tragische Problem werden häufg Dinge wie mehr Geld für Frauenorganisationen, Beratungsstellen und Gewaltschutzvereinen oder mehr Täterarbeit gefordert. Wie sehen Sie diese Ansätze?

Mehr Geld für Vereine gegen Frauengewalt und Frauenhäuser kann NIE falsch sein.

Viele denken offenbar (sowohl potenzielle Opfer als auch Täter), dass der point of no return erreicht ist. Also, dass es keinen Ausweg mehr gibt. Doch den gibt es immer. Auch wenn er noch so schmerzt.

Opfer haben oft nicht die finanzielle Möglichkeit, bei Akutsituationen ein paar Tage in ein Hotel zu gehen. Die Hemmschwelle, sich Hilfe von staatlicher Seite/ Frauenhäusern zu holen, muss gesenkt werden. Es gehört ein anderes Bewusstsein geschaffen.

Ein solcher Gewaltakt kommt ja nicht aus dem Nichts. Es gibt in der Regel immer vorangegangene Ereignisse.

So wie bei dem Fall zu Beginn des heurigen Jahres, den ich nur aus den Medien kenne. Hier war der Täter als “hochgefährlich” eingestuft, eine Wegweisung konnte nicht ausgesprochen werden, da er nicht auffindbar war. Er hat soeben seine Frau attackiert, sie geht ins Spital, macht eine Anzeige und wird Stunden später getötet. Das ist Behördenversagen und ich gehe so weit, dass hier die Behörden eine Mitschuld haben. Nicht an der Tat an sich, aber zumindest unterlassene Hilfeleistung. Wenn er nicht auffindbar ist, muss die Frau bewacht werden. Ja, ich weiß, die Kosten. Aber was ist ein Menschenleben dann wert?

Ich habe diese Woche geschrieben, dass ich persönlich das “Counting” der Frauenmorde in den Medien für bedenklich halte. Viele fühlen sich dadurch bestätigt. Diese Kritik bezieht sich nur auf das Zählen und dass dies in jedem Artikel berichtet wird. Natürlich darf man es aber auch keinesfalls totschweigen. Ich vergleiche das mit der Suizidberichterstattung.

Die Meinung von vielen persönlichen Nachrichten auf Twitter war jedoch eine komplett andere.

Ich kann nur meine Erfahrungen aus dem Gefängnis wiedergeben.

Gibt es irgendeine Frage, die Ihnen fehlt, bzw. weitere Gedanken, die Sie gerne teilen möchten?

Es gibt viele vernünftige Gesetze. Auch im Strafvollzugsgesetz stehen viele tolle Dinge, wird ja gern darauf hingewiesen. Nur werden sie halt sehr oft vom “System” selbst nicht eingehalten. Meist auch nicht aus Willkür oder Bosheit, sondern weil es z.B. baulich oder personell nicht anders möglich ist.

Ich fordere ja bessere Haftbedingungen. Ich weiß, der Aufschrei kommt automatisch. Es soll ja kein Hotel sein usw…. Richtig, soll es nicht. Wenn bessere Haftbedingungen gefordert werden, hat das nichts mit Netflix für alle zu tun. Nein, es würde schon reichen, wenn die Gesetze, die es gibt, eingehalten werden.

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass ein Gefängnis ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ist. In komprimierter Form.

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