GGBO: Einsperren und Aussperren
Rede der Solidaritätsgruppe für eine Gefangenengewerkschaft Österreich bei den Anti-Abschiebungsdemos in Wien am 29.01. und in Innsbruck am 31.01.
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,
Wir setzen uns für die Rechte aller Menschen im Gefängnis ein, in der Strafhaft, in der Untersuchungshaft und in der Schubhaft.
All diesen Menschen wird ein Grundrecht genommen, das Recht auf Freiheit, das in der österreichischen Verfassung garantiert wird. Denn dieses Recht gilt nicht für Personen, die eine sogenannte Straftat begangen haben. Und es gilt nicht, wenn die Auslieferung oder Ausweisung gesichert werden soll. Es gilt also auch nicht für Leute, die nichts falsch gemacht haben, als im falschen Land geboren worden zu sein und den falschen Pass zu besitzen. Wie wir gerade erlebt haben, reicht es auch nicht, hier geboren zu sein. Gerade wurden zwei in Österreich geborene Kinder abgeschoben. Weil sie den falschen Pass haben.
Und das in einer Pandemie. In der die Reisefreiheit weitgehend ausgesetzt ist. Aber abgeschoben wird weiter und das Innenministerium ist sogar stolz darauf, dass es keine grundsätzliche Aussetzung von Abschiebungen gibt.
Und davor wird eingesperrt. Eingesperrt, damit das Aussperren leichter funktioniert. Massenquartiere, wie Geflüchtetenlager, Gefängnisse und polizeiliche Anhaltezentren erhöhen die Ansteckungsgefahr. Das wissen wir. Daher fordern NGOs seit einem Jahr dezentrale Unterbringungen für Geflüchtete und Reduktionen der Belegung von Gefängnissen und Anhaltezentren – etwa dadurch, dass Schubhaft nicht verhängt wird. Vergeblich.
Wir hören seit einem Jahr davon, dass Menschenleben gerettet werden müssen. Daher müssen wir unsere Freiheiten einschränken. Wir sollen solidarisch sein. Aber offensichtlich müssen nur manche Menschenleben gerettet werden. Und Solidarität gibt es nur für diejenigen mit dem richtigen Pass.
Statt die Schubhaft auszusetzen, wurde die Situation in der Schubhaft noch schwerer gemacht. Indem das Besuchsrecht ausgesetzt wurde. Zugelassen sind nur Besuche von direkten Angehörigen unmittelbar vor der Deportation.
Alle, die schon einmal in Schubhaft waren oder dort auf Besuch waren, wissen, dass die meisten Besuche dort hinter einer Scheibe stattfinden. Die direkte Ansteckung zwischen Besuch und Gefangenen ist also unmöglich. Andere Ansteckungen ließen sich viel leichter vermeiden als in anderen Situationen, wie etwa im öffentlichen Verkehr oder im Supermarkt.
Aber das ist egal. Den Besuch aussperren, ist die einfachste Lösung. Und damit werden die Gefangenen von ihren Familien, ihren Freundinnen und Freunden isoliert. Noch einmal: Hier geht es um Personen, die nur deshalb eingesperrt sind, weil sie sich in einem Land aufhalten, das sie nicht will. Und die Familien, Freundinnen und Freunde werden dafür mitbestraft. Sie müssen vielleicht auf immer, jedenfalls aber für sehr lange Zeit Abschied nehmen. Und haben dafür nur Gelegenheit, wenn der Flug schon gebucht ist.
Seit der Novelle des Fremdenpolizeigesetzes 2017 kann die Schubhaft bis zu 18 Monate dauern. Anderthalb Jahre lang können Personen eingesperrt werden, die keine Straftat begangen haben. Und sie können eingesperrt werden, ohne das Recht, ihre Familie zu sehen. Obwohl auch das Recht auf Familienleben ein Grundrecht ist. Und zwar eines, das man auch dann nicht verliert, wenn man eingesperrt ist. In der Theorie.
Fassen wir zusammen: Das Recht eines Staats, Personen abzuschieben, steht über der Bekämpfung einer globalen Seuche. Die Sicherung dieser Abschiebungen steht über dem Recht von Menschen auf Gesundheit und Familie, also über zwei verbrieften Menschenrechten.
Fassen wir zusammen: No border, no nation, stop deportation!